Hier macht der Kanton Fahrenden Platz

20. September 2023

Jerasche, Roma und Sinti haben Ansprach auf genügend Stand- und Durchgangsplätze. Nun plant der Kanton Luzern einen Kapazitätsausbau.

Luzerner Zeitung, 20.9.2023 / Alexander von Däniken

Vor genau 20 Jahren schrieb das Bundesgericht in einem wegweisenden Urteil: «Die Nutzungsplanung muss Zonen und geeignete Plätze vorsehen, die für den Aufenthalt von Schweizer Fahrenden geeignet sind und deren traditioneller Lebensweise entsprechen, die verfassungsrechtlichen Schutz geniesst.» Doch die Gemeinden und Kantone tun sich mit der Umsetzung dieses Auftrags schwer. Beispiel Kanton Luzern.

Hier gibt es gerade einmal einen einzigen unbefristeten Stellplatz: im Industriegebiet Ibach am Stadtrand. Ausserdem dürfen Jenische, Sinti und Roma ihre Wohnwagen provisorisch in Rothenburg abstellen. Gemäss Richtplan «bis ca. 2025». Aber das Sicherheitszentrum dürfte erst später realisiert werden, weshalb eine abermalige Verlängerung geprüft wird.

Im Ibach und in Rothenburg handelt es sich um Standplätze. Diese werden in der Regel während der Wintermonate genutzt. Durchgangsplätze werden für den kurzfristigen Aufenthalt während der Reisezeit von Frühling bis Herbst benötigt - sind aber im Kanton Luzern nicht vorhanden. Noch nicht. Alle Plätze im Grossraum Luzern Denn der Kanton Luzern sieht im revidierten Richtplan, der derzeit in der Vernehmlassung ist, fünf neue Stellplätze vor.

Im Gebiet Under Bürlimoos in Rothenburg sind mindestens 15 Stand- und Durchgangsplätze geplant. Dieser Stellplatz ist wie auch jene in Ebikon, Emmen Feldmatt und teilweise Buchrain unbefristet. Auffallend ist, dass sich alle neuen Standorte in der Agglomeration Luzern befinden. Man habe sehr wohl im ganzen Kantonsgebiet gesucht, sagt Kantonsplaner Mike Siegrist auf Anfrage. Letztlich habe aber das Abwägen relevanter Kriterien zu diesem Ergebnis geführt.

Man habe «aus Gründen der konkreten Umsetzung und des Betriebs» primär auf kantonseigenen Grundstücken gesucht. Da auf einem Standplatz über längere Zeit gewohnt wird, seien an den Standort ähnlich hohe Anforderungen zu stellen wie an ein Wohnquartier. «Die geografische Lage mit der Distanz zu Arbeitsmöglichkeiten, zentralen Einrichtungen wie auch die Nähe zum übergeordneten Strassenverkehrsnetz spielen eine wesentliche Rolle in Bezug auf die Eignung als Fahrendenplatz», sagt Siegrist. Es brauche eine gute Zusammenarbeit zwischen Kanton und Gemeinden, «um geeignete Plätze zu finden, planerisch zu sichern, zu realisieren und zu betreiben». Zahlreiche Anforderungen Ein Stellplatz sollte, wenn möglich in einer Bauzone oder an deren Rand liegen und von Grundeigentümerschaft, Nachbarschaft und Standortgemeinde akzeptiert werden.

Er braucht weiter eine geeignete Zufahrt, Zugang zu Wasser und Strom, sanitäre Einrichtungen und eine getrennte Abfallentsorgung, eine Umzäunung und bei der Zufahrt eine Schranke mit automatischem Ticketing. Ob die Plätze realisiert werden, ist laut Mike Siegrist nicht die Frage, sondern wann. «Für einen dauerhaften Fahrendenplatz braucht es gestützt auf die Konkretisierung im Richtplan auch eine entsprechende Festlegung im Zonenplan sowie ein Baubewilligungsverfahren. Dementsprechend ist von einem Prozess von mehreren Jahren auszugehen.» Lage sorgte für Kritik Die vom Bund gegründete Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende setzt sich für die Jenischen, Sinti und Roma ein.

Und analysiert alle fünf Jahre in einem Standbericht, wie es um die Stellplätze in der Schweiz steht. Sie hielt 2021 fest, dass der Platz im Ibach zu klein, dauerhaft belegt und nicht gut gelegen sei. Auch beim provisorischen Platz in Rothenburg sei die Lage nicht optimal. Gänzlich fehlen würden Stellplätze im Raum Sursee und im Raum Hochdorf. Ebenfalls sei ein grösserer Transitplatz für Fahrende aus dem Ausland im Raum Luzern-Cham-Zug nötig.

Wie reagiert die Stiftung nun auf den Entwurf des neuen Luzerner Richtplans? Eine ausführliche Stellungnahme werde man im Rahmen der Vernehmlassung abgeben, sagt Geschäftsführer Simon Röthlisberger. «Aber auf den ersten Blick ist es schön zu sehen, dass der Kanton Luzern sich ernsthaft mit Standplätzen für Fahrende auseinandersetzt.» Im früheren, noch geltenden Richtplan komme das Thema nur marginal vor. Ebenfalls begrüssenswert sei, dass der Kanton beim Erstellen und Betreiben der Stand- und Durchgangsplätze den Lead übernimmt. Zuviel Lärm nicht ideal Was die bestehenden Plätze in Luzern und Rothenburg betrifft, sei es allemal besser, diese zu optimieren und so lange zu halten wie möglich.

Bezüglich Lage sei zwar eine gute Erreichbarkeit wichtig, eine zu grosse Nähe zu Autobahnen, Schienen und anderen Lärmquellen sei aber auch nicht ideal. «Natürlich wissen wir um die Knappheit gut gelegener Grundstücke, wir sind darum auch kompromissbereit», fügt Röthlisberger an. Wichtig sei auch die Nähe zu urbanen Zentren, weshalb es zu verschmerzen sei, dass im Raum Hochdorf keine Plätze vorgesehen sind. «Den Raum Sursee können wir uns aufgrund der guten Erschliessung und der Nähe zum Mittelland aber durchaus weiterhin vorstellen.» Bezüglich Transitplatz hofft die Stiftung auf Schützenhilfe des Bundes, der hier die Zügel an die Hand nehmen will, weil es nicht in jedem Kanton einen solchen Platz braucht.