Am Samstag findet in Innsbruck in Österreich zum sechsten Mal der Jenische Kulturtag statt. Es geht darum, die Kultur der Jenischen sichtbar zu machen und auch auf ihren Beitrag zur Tiroler Geschichte hinzuweisen. Seit Jahren hoffen die Jenischen darauf, als Volksgruppe in Österreich anerkannt zu werden.
Wie viele Jenische es in Tirol und Österreich gibt, darüber gibt es keine Aufzeichnungen, in ganz Europa wird ihre Zahl auf 500.000 geschätzt. Seit Heidi Schleich gemeinsam mit Mitstreiterinnen und Mitstreitern vor einem Jahr den Verein „Jenische in Österreich“ gegründet hat, bekommt sie Anrufe aus ganz Österreich von jenischen Familien, die froh sind, dass es endlich so etwas wie eine Anlaufstelle für sie gibt.
Wenig Aufzeichnungen zur jenischen Geschichte
Dass es so wenig Aufzeichnungen zur jenischen Geschichte gibt, hat auch damit zu tun, dass die Kultur der Jenischen eine erzählende ist, so haben die Älteren ihre Traditionen an die Jüngeren weitergegeben. Auch deshalb, weil Bücher bei einem Leben auf Achse nur zusätzlicher Ballast gewesen wären, aber auch als Schutzfunktion, um keine Beweise zu liefern. Denn die Geschichte der Jenischen ist gekennzeichnet von Diskriminierung, Verfolgung und Ausgrenzung.
Von den Nationalsozialisten wurden Jenische verfolgt und in Konzentrationslager deportiert. Aber auch schon vorher und auch nachher wurden sie aufgrund ihrer Lebensweise von der Mehrheitsgesellschaft oftmals gedemütigt, jenische Kinder wurden ihren Eltern weggenommen, in Heime gesteckt und dort erniedrigt.
Jenische als frühes Opfer des Kapitalismus
Heidi Schleich bezeichnet die Jenischen als ein sehr frühes Opfer des Kapitalismus. Als die Nahversorgung ausgebaut wurde, haben die Jenischen mit ihrem Wanderhandel plötzlich gestört, Korbflechter, Messerschleifer oder Kesselflicker waren in einer Gesellschaft, in der Kaputtes weggeworfen wird, nicht mehr gefragt. Das sei aber nicht immer so gewesen, so Schleich.
Es habe sehr wohl auch eine Zeit gegeben, in der die Jenischen besonders bei der sesshaften Landbevölkerung sehr willkommen waren. Sie haben Waren geliefert, ihre handwerklichen Fähigkeiten waren begehrt und sie brachten Nachrichten aus anderen Tälern. Damit hätten sie sich damals auch ein gutes Leben leisten können, erzählt Heidi Schleich.
Jenische zogen sich ins Private zurück
Als ihnen aber zusehends von den Institutionen das Wasser abgegraben wurde – so gibt es etwa österreichweit derzeit nur einen Standplatz für Fahrende – und die offene Ablehnung aufgrund ihrer Lebensweise als Fahrende immer größer wurde, gingen die Jenischen immer mehr auf Rückzug. Man deklarierte sich nicht mehr in der Öffentlichkeit als jenisch, manche Familien änderten sogar ihre Nachnamen, damit ihre Kinder in der Schule nicht mehr diskriminiert wurden. Auch die jenische Sprache wurde – wenn überhaupt – nur mehr in der Familie gesprochen.
Mungenast machte jenische Kultur sichtbar
Einer, der sich zeitlebens für ein jenisches Selbstbewusstsein stark gemacht hat, war der 1953 in Zams geborene Romed Mungenast. Er wuchs mit neun Geschwistern in einem Haus in den Innauen auf und war dann als Rangierarbeiter bei der Bahn tätig. Er versteckte seine Herkunft nicht und begann ein Archiv über die Jenischen anzulegen. Später schrieb er auch Geschichten und Gedichte in jenischer Sprache und hielt an Unis und Schulen zahlreiche Vorträge.
Vom damaligen Bundespräsidenten Thomas Klestil bekam Mungenast schließlich 2004 sogar den Berufstitel Professor verliehen. 2006 starb Mungenast nach langer Krankheit.
Wunsch nach Anerkennung als Volksgruppe
ein Tod habe die jenische Gemeinschaft in eine Art Schockstarre versetzt, so Heidi Schleich. Man habe lange gebraucht, aber seit ein paar Jahren sei wieder Schwung in die Sache gekommen und mittlerweile gebe es viele, die sich engagieren. Ziel der Jenischen ist es, vom Staat Österreich als eigene Volksgruppe anerkannt zu werden – als Zeichen einer langersehnten Wertschätzung.
Im Regierungsprogramm der aktuellen Bundesregierung steht, dass die Anerkennung der Jenischen als Volksgruppe geprüft werden soll. Nun sei das Bestreben groß, dies auch durchzubringen, so Schleich. Dazu wurde 2021 auch der Verein „Jenische in Österreich“ gegründet.
Mittlerweile habe es einige offizielle Termine gegeben, etwa mit den Volksgruppensprechern der Parlamentsparteien – mehr dazu in Offizielles Ersuchen der Jenischen um Anerkennung und erst letzte Woche in der zuständigen Sektion im Bundeskanzleramt. Nun sei es ein Geduldsspiel, darauf zu warten, bis die Mühlen fertig gemahlen haben, so Schleich. Die Zeichen für eine Anerkennung hätten jedenfalls noch nie so gut gestanden wie jetzt.
Kulturtag soll Jenische bestärken
Gerade in der jungen Generation habe sich das Selbstbild auch schon deutlich verändert, da sie – im Unterschied zu ihrer Elterngeneration – nicht mit offener Diskriminierung konfrontiert wurde. Es bestehe aber noch eine gewisse Scheu, das Jenisch-Sein offen nach außen zu tragen, so Schleich.
Bei Veranstaltungen wie dem Jenischen Kulturtag am Samstag in der Kulturbackstube Bäckerei in Innsbruck wolle man die Menschen in ihrer Identität bestärken und Interessierten die jenische Kultur näherbringen. Denn das Jenische ist Teil der Gesellschaft – so haben auch jenische Wörter in der Allgemeinsprache Einzug gehalten. Wie das Wort Schund, das im Jenischen Erde bzw. Scheiße bedeutet. Auch Kohldampf für Hunger und spannen für schauen wird allgemeinsprachlich verwendet.