Auf dem ehemaligen Expo-Gelände in Nidau bei Biel spitzt sich ein Streit zwischen Behörden und Fahrenden zu. Die komplizierte Situation zeigt: Plätze für Fahrende sind nach wie vor Mangelware - trotz aller Bemühungen.
Obwohl das Gesuch der Fahrenden abgelehnt wurde, ermöglichte die Gemeinde den Zugang zu Wasser und Strom , Foto: Franziska Rothenbühler Carole Güggi Fino Winter ist entsetzt. Der Präsident der Sinti Schweiz hat sich vor gut einer Woche auf dem ehemaligen Expo-Gelände in Nidau niedergelassen. Am Dienstagmorgen der Schock: «Auf einmal stand die Polizei da - und erteilte eine Busse von 800 Franken», sagt Winter.
Bis zu 60 Polizisten hätten Fingerabdrücke abgenommen und die Personalien von rund 80 Fahrenden überprüft. «Wir wurden behandelt wie Schwerverbrecher», sagt May Bittel, der ebenfalls seit Anfang Monat auf dem Platz haust. Dabei hätten sie nicht illegal auf dem Platz haltgemacht, beteuern Winter und Bittel. Der Polizeiinspektor in Biel habe ihnen eine mündliche Zusage erteilt und den Aufenthalt für einen Monat gutgeheissen. Der Beweis dafür sei der Zugang zu Strom und Wasser sowie eine Abfallmulde, die bereitgestellt wurde.
Zuerst Ja, dann Nein «Die Kantonspolizei erhielt von der Regionalen Staatsanwaltschaft Berner Jura-Seeland den Auftrag, Personalien aufzunehmen und Strafbefehle auszuhändigen», sagt Christoph Gnägi, Sprecher der Kantonspolizei Bern. Gegen die Schweizer Fahrenden wurde Strafanzeige eingereicht. Das Gesuch der Jenischen und Sinti lehnte der Gemeinderat von Nidau Ende Mai ab. Anzeige erstattet hat jedoch die Stadt Biel. Denn auf dem ehemaligen Expo-Areal sind die Be-Sitzverhältnisse nicht auf den ersten Blick ersichtlich.
Da sich das Areal in Nidau befindet, ist es der dortige Gemeinderat, der über die Benutzung des Geländes entscheidet. Grundbesitzerin ist aber die Stadt Biel. Doch nicht alle Mitglieder des Nidauer Gemeinderats stehen hinter der Ablehnung des Gesuchs. Sandra Friedli (SP) stellte sich öffentlich dagegen. «Mich brachte der Entscheid in einen Gewissenskonflikt», sagt sie.
Mit ihrer Haltung wollte sie ein Zeichen setzen. Dass Fahrende auf dem Areal halten, ist nicht neu einen geregelten Umgang haben Nidau und Biel aber noch nicht gefunden. Ausdruck davon ist der von der Gemeinde gelegte Zugang zu Strom und Wasser -«Wir wurden behandelt wie Schwerverbrecher.» May Bittel Schweizer Fahrender, zurzeit wohnhaft in Nidau «um den Schaden zu minimieren», wie Friedli ausführt. Denn in der Vergangenheit sei es zu Konflikten mit Fahrenden gekommen; wie letztes Jahr, als diese einen Hydranten angezapft hatten.
Zu wenig Platz Die angespannte Lage in Nidau zeigt, Fahrende haben nach wie vor einen schweren Stand. «Biel und Nidau hatten es in der Hand, konkret etwas für den Minderheitenschutz zu tun», sagt Simon Röthlisberger, Geschäftsführer der vom Bund getragenen Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende. Anstatt sich für die Fahrenden einzusetzen, begegne man ihnen jetzt mit Repression. «Diese Ablehnung erzeugt einen hohen Aufwand für die Verwaltung und Politik, der hätte vermieden werden können», sagt Röthlisberger. Zumal das Expo-Gelände nicht anderweitig genutzt werde.
Zwar betont Röthlisberger, gerade im Kanton Bern sei in den letzten Jahren viel gegangen. Neue Plätze seien geschaffen worden, weitere würden geplant und bestehende aufgewertet. Dennoch seien die Gemeinden aufgrund der angespannten Platzsituation weiterhin angehalten, Hand für pragmatische Lösungen zu bieten. Nur Provisorien Gegenwärtig gibt es im Kanton Bern neun Plätze - sieben für Schweizer Fahrende, zwei für ausländische. Geplant sind vier weitere Plätze.
Damit würden die Aufträge des Grossen Rates vom September 2015 (Plätze für Schweizer Fahrende) und März 2019 (Transitplatz für ausländische Fahrende) umgesetzt, erklärt Evi Allemann, Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektorin des Kantons Bern. Fünf der neun Plätze sind Provisorien. «Diese müssen durch definitive Halteplätze abgelöst werden», sagt sie. Doch die zur Verfügung stehenden Plätze kommen für die Gruppe in Nidau nicht infrage. Denn sie bieten nicht genug Stellplätze.
Durchschnittlich 10 bis 15 Wohnwagen lassen sich auf den vom Kanton bereitgestellten Arealen installieren - in Nidau stehen zurzeit 20. «Wie bis anhin sind grosse Gruppen auf Möglichkeiten zum spontanen Halt angewiesen», sagt Allemann. «Das bedeutet, dass bei Belastungsspitzen weiterhin Gemeinden oder Private zu pragmatischem und flexiblem Handeln aufgefordert sind.» Treffen geplant Die Bieler Finanzdirektorin Silvia Steidle (FDP) bestätigt, die Anzeige sei mit dem Ziel eingereicht worden, das Areal zu räumen. Eine polizeiliche Räumung, wie sie 2014 in der Stadt Bern auf der Allmend erfolgte und hohe Wellen schlug, ist nicht auszuschliessen.
In den nächsten Tagen treffen sich Gemeinderäte aus Nidau und Biel zum Gespräch.