Bundesgericht hebt Berner Polizeigesetz teilweise auf

29. Avril 2020

Das Bundesgericht hat an einer öffentlichen Beratung vier Artikel des totalrevidierten Berner Polizeigesetzes aufgehoben. Die Bestimmungen verstossen gegen übergeordnetes Recht.

Neue Zürcher Zeitung / SDA

Die «Lex Fahrende», der Artikel zum Einsatz von GPS-Geräten für die Observation und die zwingende Verbindung einer Wegweisung mit einer Strafdrohung, werden aus dem Berner Polizeigesetz gestrichen. Sie verstossen gegen die Verfassung, hat das Bundesgericht am Mittwoch in einer öffentlichen Beratung entschieden.

Insgesamt werden somit vier Artikel des totalrevidierten Berner Polizeigesetzes aufgehoben. Die Beschwerde von 19 Organisationen und zwei Privatpersonen wurde damit teilweise gutgeheissen. Gestrichen wurden zwei Artikel, die geschaffen wurden, um Fahrende schnell wegweisen zu können, die sich ohne Bewilligung auf einem Platz installiert haben. Im Wortlaut des Gesetzes werden die Fahrenden nicht explizit genannt. Es wird die Wendung «auf einem Grundstück campieren» verwendet. Die Entstehung der Bestimmung zeigt gemäss Bundesgericht jedoch klar, was die Absicht des Gesetzgebers war. Dieser Artikel steht in Zusammenhang mit einem weiteren, der die Räumung vorsieht, wenn eine Wegweisung nicht innerhalb von 24 Stunden befolgt wird.

«Präzedenzfall gegen diskriminierende Sondergesetze»

Sowohl bei schweizerischen als auch bei ausländischen Fahrenden erachtet das Bundesgericht diese zwei miteinander verbundenen Artikel als einen unverhältnismässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben. Verschiedene Richter führten aus, dass besonders Schweizer Fahrende meist längere Zeit an einem Ort blieben, dort zur Arbeit gingen und die Kinder die Schule im jeweiligen Dorf besuchten. Die 24-Stunden-Regelung würde bedeuten, dass innert dieser Frist ein Platz geräumt würde und «diese Leute ihr Zuhause aufgeben müssen».

Die Gesellschaft für bedrohte Völker bezeichnete den Entscheid zur «Lex Fahrende» in einer Reaktion als «Präzedenzfall gegen diskriminierende Sondergesetze und ein Bekenntnis für den Minderheitenschutz in der Schweiz». Das Urteil habe «hoffentlich Signalwirkung für andere Kantone, welche ähnliche Bestimmungen planen».

Auch die zwingende Verbindung einer Wegweisung jeglicher Art mit einer Strafandrohung, wie sie das Strafgesetzbuch vorsieht, ist gemäss Bundesgericht nicht verhältnismässig. Dies hätte zur Folge, dass auch in leichten Fällen ein Strafverfahren eingeleitet würde.

Grosses Missbrauchspotential

Über das Ziel hinaus schiesst laut Bundesgericht die Bestimmung, wonach die Polizei technische Überwachungsgeräte wie GPS-Sender einsetzen kann, um in Echtzeit den Standort einer Person verfolgen zu können. Das Bundesgericht erachtet dies als einen nicht mehr leichten Eingriff in die Privatsphäre. Problematisch daran ist, dass diese Überwachung ohne vorgängige Bewilligung und ohne Tatverdacht hätte erfolgen können. Strafverfolgungsbehörden hätten beim Einsatz solcher Mittel strengere Vorgaben erfüllen müssen. Das Bundesgericht schliesst nicht aus, dass es zu einem Missbrauch beim Einsatz von solchen GPS-Geräten hätte kommen können.

Unbestritten waren in der Diskussion die Artikel zur Kostenüberwälzung auf Veranstalter oder Einzelpersonen, wenn es zu Gewaltanwendung kommt. Weil die Regelung verhältnismässig angewendet werden kann, verstösst sie nicht gegen die Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit.

Das Polizeigesetz ist bis auf die umstrittenen Bestimmungen bereits am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Nun werden auch die nicht aufgehobenen umgehend angewendet, wie die Berner Regierung schreibt. 

Über das Ziel hinaus schiesst laut Bundesgericht die Bestimmung, wonach die Polizei technische Überwachungsgeräte wie GPS-Sender einsetzen kann, um in Echtzeit den Standort einer Person verfolgen zu können. Das Bundesgericht erachtet dies als einen nicht mehr leichten Eingriff in die Privatsphäre. Problematisch daran ist, dass diese Überwachung ohne vorgängige Bewilligung und ohne Tatverdacht hätte erfolgen können. Strafverfolgungsbehörden hätten beim Einsatz solcher Mittel strengere Vorgaben erfüllen müssen. Das Bundesgericht schliesst nicht aus, dass es zu einem Missbrauch beim Einsatz von solchen GPS-Geräten hätte kommen können.

Unbestritten waren in der Diskussion die Artikel zur Kostenüberwälzung auf Veranstalter oder Einzelpersonen, wenn es zu Gewaltanwendung kommt. Weil die Regelung verhältnismässig angewendet werden kann, verstösst sie nicht gegen die Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit.

Das Polizeigesetz ist bis auf die umstrittenen Bestimmungen bereits am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Nun werden auch die nicht aufgehobenen umgehend angewendet, wie die Berner Regierung schreibt. 

Bundestgerichts-Urteil 1C_181/2019 vom 29.4.2020