Andreas Geringer ist der bekannteste Vermittler im Streit um Transitplätze. Nun übt er scharfe Kritik an den ausländischen Fahrenden sowie am Kanton Bern. Im Interview mit der Zeitung Der Bund sagt er aber auch, er sei weiterhin dafür, dass der Transitplatz Wileroltigen gebaut werde.
Es war ein überraschender Auftritt: Andreas Geringer, einer der bekanntesten Schweizer Fahrenden, nahm vergangene Woche an einer Parteiversammlung der Berner SVP teil. Dabei war es ausgerechnet die Junge SVP, welche über 11000 Unterschriften sammelte für ein Referendum gegen den geplanten Transitplatz für ausländische Fahrende in Wileroltigen.
So kommt nun der Kredit über 3,3 Millionen vors Volk. Geringer hatte sich als Präsident des Verbandes Sinti und Roma Schweiz (VSRS) in den letzten Jahren intensiv für den Bau eingesetzt. Und Geringer war auch an der erfolgreichen Klage gegen die Junge SVP beteiligt, die in Inseraten Fahrenden diffamierte. Herr Geringer, wie muss man Ihren Auftritt bei der SVP-Versammlung interpretieren? Heisst das, dass Sie nun ebenfalls gegen den Transitplatz in Wileroltigen sind? Nein, ich bin weiter dafür, dass dieser Transitplatz kommt. Das habe ich auch an der SVP-Versammlung klar betont.
Ich habe die letzten fünf Jahre intensiv dafür gearbeitet, dass dieser Platz gebaut werden kann. Zudem ist der Ort als Transitplatz aus Sicht der Fahrenden gut geeignet, weil er unter anderem gut erschlossen ist. Wieso denn nun der Auftritt an der SVP-Versammlung? Mir ging es nicht um den Transitplatz, sondern um die Probleme, die wir in Bern mit gewissen fahrenden Familien aus dem Ausland haben. Was dieses Jahr im Kanton Bern mit ausländischen Fahrenden ablief, kann ich so nicht unterstützen. Was meinen Sie? Was wir in Bern erleben, ist schlicht Dauercamping von einzelnen ausländischen Familien, die die Transitplätze besetzten.
Diese wären für einen Aufenthalt von maximal sieben Tagen gedacht. Mit den zwei provisorischen Plätzen in Brügg und Gampelen gab es dieses Jahr im Kanton Bern 70 Standplätze für etwa 350 Personen. Für Fahrende auf Durchreise im Kanton müsste das reichen. Nun hat man aber auch in Wileroltigen eine weitere Gruppe toleriert - das war falsch. Gewisse Familien besetzen diese Plätze schon seit Anfang Jahr.
Wir Schweizer Fahrenden müssen unsere Standplätze jeweils nach mindestens einem Monat verlassen. Das wird von den Behörden auch konsequent durchgesetzt. Bei diesen einzelnen renitenten Familien aus dem Ausland getraut man sich aber nicht, etwas zu unternehmen. Und darum gehen Sie an die SVP-Parteiversammlung? Wir arbeiten mit verschiedenen Gemeindepräsidenten zusammen, da ist die Partei zweitrangig. Ich bin auch in keiner Partei.
Doch: Nur bei der SVP habe ich das Gefühl, in dieser Sache gehört zu werden. Ich habe sonst weder vom Kanton, der Polizei und auch von den linken Parteien in diesem Fall keine Unterstützung gespürt. Werden Sie mit solchen Auftritten nicht zum Abstimmungshelfer gegen den Transitplatz? «Die Behörden müssen Sanktionen gegen renitente Familien durchsetzen.» Ich bin kein Politiker, aber ich setze mich für die fahrende Lebensweise ein. Und die ist gefährdet, wenn man nichts gegen diese einzelnen Familien unternimmt, die sich nicht an die Regeln halten.
Wir vom VSRS haben 300 Gemeinden im Mittelland angefragt, ob sie uns Fahrenden einen Standplatz anbieten würden, wenn wir uns zuvor anmelden würden. Wir haben keine einzige Zusage erhalten. Was fordern Sie denn von den Behörden? Sie müssen Sanktionen auch gegen renitente Familien durchsetzen, wo das vielleicht nicht so einfach ist, wie bei Schweizer Fahrenden. Es braucht viel mehr Kontrollen, etwa von der Fremdenpolizei oder dem Handelsregisteramt. Fahrende, die aus dem Ausland in die Schweiz kommen, um zu arbeiten, erhalten die Bewilligungen dafür viel zu einfach, ohne Nachweise ihrer selbstständigen Tätigkeit und auch wenn sie ihr Metier kaum beherrschen oder sich um Umweltvorgaben scheren.
Sie sind, wie Sie auch der «Berner Zeitung» sagten, enttäuscht von den Berner Behörden und suchen die Hilfe der SVP. In Ihrer Tätigkeit als Vermittler zwischen Fahrenden und Behörden sollten Sie aber möglichst neutral sein. Was Andreas Geringer, Präsident Verband Schweizer Roma und Sinti. Foto: zvg heisst das nun für Ihr Engagement in der Mediation? Die Mediation, die wir vom VSRS aus anbieten, führen wir natürlich weiter. Sie ist in anderen Kantonen sehr gefragt, dort arbeiten wir auch gut mit den Ämtern zusammen.
Mit dem Kanton Bern müssen wir uns aber zuerst noch mal gemeinsam an den runden Tisch setzen. Was brauchte es denn, damit die angesprochenen Probleme gar nicht erst entstehen? Damit die Mediation funktioniert, müssten die Behörden in erster Linie hinter mir stehen. Stattdessen ist man mir in Wileroltigen in den Rücken gefallen: Ich hatte vom Bundesamt für Strassen (Astra) als Landbesitzerin ein Mandat bekommen, um mit der Familie in Wileroltigen zu verhandeln, und auch bereits einen Abreisetermin vereinbart. Die Polizei erlaubte dann aber, dass sie bleiben darf. So bin ich als Vermittler nicht mehr glaubwürdig.
Und konkret auf den Standund Transitplätzen? Die Plätze müssen die entsprechende Infrastruktur besitzen und täglich gut betreut sein, es braucht einen «Feldweibel». Man muss die Leute erziehen: Abfall muss korrekt entsorgt werden, Arbeiten, etwa mit Farbe, müssen umweltgerecht ausgeführt werden und so weiter. In Brügg, wo der Platz eng betreut wurde, hat das dieses Jahr gut funktioniert. Gegenbeispiele sind Gampelen und eben Wileroltigen, wo sich niemand so eng um die Plätze kümmern konnte - und sich die Gruppen sehr schlecht an Regelungen und Vereinbarungen hielten. Wie sieht Ihr Umfeld von Schweizer Fahrenden die Situation? Es gibt durchaus Leute, die finden, es dürfe nur noch Standplätze für Schweizer Fahrende geben und ausländische Fahrende hätten in der Schweiz nichts zu suchen.
Das wäre aber rechtlich gar nicht möglich, nicht zuletzt auch wegen des Freizügigkeitsabkommens mit der Europäischen Union. Und wie sehen Sie das? Ich bin sehr dagegen, generell gegen ausländische Fahrende zu schiessen. Das führt zu Extremismus. Und Zeiten, in denen extreme Positionen die Politik bestimmten, waren nie gute Zeiten für uns Fahrende. Es braucht einen Mittelweg - und eine klare Haltung gegenüber allen, die sich nicht an die Regeln halten.
Und zwar nicht nur bei Schweizer Fahrenden, sondern auch bei ausländischen Familien, wo das vielleicht etwas schwieriger durchzusetzen ist. Zur Person Andreas Geringer ist Präsident des Verbandes Sinti und Roma Schweiz (VSRS). Als solcher kennt er die Situation von Schweizer und ausländischen Fahrenden im Land so gut wie kaum sonst jemand. Geringer fungiert als Vermittler zwischen der Bevölkerung, den Behörden und den Fahrenden. Geringer, der selbst eine fahrende Lebensweise pflegt, leitet als VSRS-Präsident nämlich auch ein Mediationsprojekt, das der Verband 2017 gemeinsam mit der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) lancierte und seit 2018 selbstständig weiterführt: Für die Behörden und Landbesitzer sind die Mediatoren Ansprechpartner, gegenüber den ausländischen Fahrenden versuchen die Mediatoren, die Schweizer Gesetze und Gebräuche zu vermitteln.
Ziel ist es, etwa Spontanhalten ausserhalb der vorgesehen Plätze und Konflikte zu vermeiden. Einen Teil der Kosten decken dabei die betroffenen Kantone, (zec).
Der Bund, 23.9.2019/Christian Zellweger