Chansonnier Stephan Eicher: «Die Schweiz ist ein Vorbild»

21. Gennaio 2019

Ein halbes Jahr musste Stephan Eicher wegen eines Bandscheibenvorfalls aussetzen. Nun gibt der Berner Chansonnier sein Comeback. Im Interview spricht er über seine jenischen Wurzeln.

Kommen wir zurück zu Ihrem neuen Projekt. Inwiefern hängt es mit Ihrer Familiengeschichte und Ihren jenischen Wurzeln zusammen?

Die Balkanmusik ist von Zigeunern geprägt. Vielleicht fasziniert sie mich deshalb so. Aber das Geheimnis um die jenischen Wurzeln der Eichers wurde erst im Dokumentarfilm «Unerhört Jenisch» von 2017 gelüftet. Wir wussten es schon. Es war das Problem meines Vaters und einer schmerzhaften Vergangenheit. Ihm wurde eingetrichtert, dass es besser sei, die jenische Herkunft zu verheimlichen. Meiner Grossmutter hat man in Obervaz Trunksucht und einen liederlichen Lebenswandel vorgeworfen, nur weil sie jenisch war. Man versuchte, sie zu versorgen und zu sterilisieren. Inzwischen ist das Familiengeheimnis bei mir einem gewissen Stolz und einer Freude gewichen.

In der Camargue hat es auch viele Fahrende. Ein Zufall?

Hm … tut mir leid, wenn ich Sie und viele Touristen enttäuschen muss, aber die Zigeuner in Saintes-Maries-de-la-Mer sind eine Illusion. Sie sind nur im Mai und Oktober geduldet, und das auch nur von 9 bis 15 Uhr, dann müssen sie wieder draussen sein. Das ist extrem rassistisch. Manchmal glaube ich ja, dass die zwei Bettlerinnen bei der Kirche, die die Zukunft aus der Hand lesen, bezahlte Schauspielerinnen sind, die aus touristischen Gründen dort stehen.

Aber der Einfluss der Fahrenden in der Schweizer Volksmusik ist keine Illusion.

Oh nein. Vieles von dem, was heute als Schweizer Volksmusik gilt, ist von Jenischen importiert worden. Jenisches Liedgut, das von den Fahrenden auch erhalten worden ist. «Grüezi wohl, Frau Stirnimaa», «S’Guggisberglied», Tänze wie Mazurka, Polka: Hudigääggeler ist nicht in Herrliberg erfunden worden. Vielleicht geht ja die Lieblingsmusik der SVP auf jene zurück, die man eigentlich nicht hier haben will.

Zum gesamten Interview im Tagblatt