«Mit dem Urteil des Bundesgerichtes ist der Durchgangsplatz Thal nicht vom Tisch»: Fahrende ziehen das Urteil international weiter

08. Luglio 2022

Die Dachorganisation der Schweizer Jenischen und Sinti setzt nach der abgewiesenen Beschwerde nun auf den kantonalen Richtplan, der einen langfristigen Platz vorsieht – und zieht das Urteil an die nächsthöhere Instanz weiter.

Tagblatt/Janina Gehrig

Das Grundstück trägt die Nummer 2630 und ist etwas mehr als 4000 Quadratmeter gross. Der Streit darüber, ob auf dem als Fuchsloch bezeichneten Areal in Thal ein Durchgangsplatz für Jenische und Sinti erstellt werden kann, geht mittlerweile ins achte Jahr. Vergangene Woche hat auch das Bundesgericht ein Urteil dazu abgegeben.

Es weist eine Beschwerde der Radgenossenschaft der Landstrasse ab und bestätigt somit das Verwaltungsgericht. Dieses anerkannte zwar, die Organisation sei zur Beschwerde berechtigt, was diese als Teilerfolg verbuchte. Es hielt jedoch fest, die Gemeinde Thal könne nicht auf dem Rechtsweg dazu gezwungen werden, auf dem Areal Fuchsloch einen provisorischen Durchgangsplatz einzurichten (Ausgabe vom 5. Juli). Die Vorgeschichte: Der provisorische Platz hätte befristet, auf maximal fünf Jahre, installiert werden sollen, nachdem die nötige Umzonung für einen fixen Platz 2014 von der Stimmbevölkerung verworfen worden war. Weil die Gemeinde auch den provisorischen Durchgangsplatz schliesslich nicht weiterverfolgt hatte, legte die Radgenossenschaft der Landstrasse eine Beschwerde ein – und scheiterte. Was sagen die Betroffenen dazu?

Verpflichtet, bis 2027 einen definitiven Platz zu schaffen

Die Dachorganisation der Schweizer Jenischen und Sinti, so scheint es, hat mit der Ablehnung der Beschwerde gerechnet. Gleichzeitig verbucht sie gewisse Aussagen im Bundesgerichtsurteil als Teilerfolg. Denn, so sagt es Willy Wottreng, Geschäftsführer der Radgenossenschaft der Landstrasse: «Mit dem Urteil des Bundesgerichtes ist der Durchgangsplatz Thal nicht vom Tisch. Erfreulich ist, dass das Bundesgericht wie auch das Verwaltungsgericht bestätigen, dass die Gemeinde Thal aufgrund des Eintrages im kantonalen Richtplan verpflichtet ist, bis 2027 den definitiven Durchgangsplatz zu realisieren.» Tatsächlich wird im Richtplan des Kantons St. Gallen seit 2017 festgehalten, dass ein «langfristiger Durchgangsplatz für Fahrende am Standort Fuchsloch» innert zehn Jahren zu errichten sei.

So, hält das Bundesgericht denn auch fest, habe die Vorinstanz einzelnen Aussagen der Gemeinde, dass sie sich nicht verpflichtet fühle, einen dauerhaften Durchgangsplatz zu schaffen, zu Recht klar widersprochen. Auch stützt das Bundesgericht die Ausführungen der Vorinstanz dahin gehend, «dass die Gemeinde planungsrechtlich verpflichtet sei, die für die Errichtung und den Betrieb eines langfristigen Durchgangsplatzes für Jenische, Sinti und Roma erforderliche Anpassung des Zonenplanes in die Wege zu leiten».

«Bevölkerung kann immer noch ja oder nein sagen»

Was ist der Richtplaneintrag des Kantons St. Gallen also wert, der einen fixen Durchgangsplatz in Thal vorsieht? Wie verbindlich ist dieser im Konfliktfall?

Tatsächlich sei die Gemeinde verpflichtet, «da der Richtplan behördenverbindlich ist, im Rahmen der Revision der Nutzungsplanung einen geeigneten Standort für die fahrende Bevölkerung zu suchen und in die Planung aufzunehmen», sagt Ralph Etter, Leiter des Amts für Raumentwicklung und Geoinformation beim St.Galler Bau- und Umweltdepartement. Hingegen, räumt Etter ein, «bleiben die demokratischen Verfahrensabläufe vorbehalten und die Bevölkerung kann im Rahmen einer Gemeindeabstimmung ja oder nein sagen». Ein Durchsetzen des Resultats «Durchgangsplatz für Fahrende wird bewilligt» könne also nicht gewährleistet werden.

Die Radgenossenschaft gibt nicht auf. Willy Wottreng sagt: «Wir wollen, dass in der Schweiz endlich ein Rechtsweg für die Minderheiten eröffnet wird, ihre Menschen- und Minderheitsrechte geltend zu machen.» Man werde das Urteil auf internationaler Ebene weiterziehen.

Von den rund 40'000 Jenischen und Sinti sind in der Schweiz während der Sommermonate noch gut 3000 als Fahrende unterwegs und auf entsprechende Plätze angewiesen. Obwohl der Bund sie als nationale Minderheiten anerkannt und sich dafür ausgesprochen hat, ihre Kultur und Sprache zu fördern und die Lebensbedingungen zu verbessern, scheitert die Schaffung neuer Plätze letztlich fast immer am Widerstand der Bevölkerung.